Ausgabe Nr. 4
AUFRUF ZUR BETEILIGUNG ALLER WAHLBERECHTIGTEN MENSCHEN
MIT MIGRATIONS- UND FLUCHTHINTERGRUND
AN DER BUNDESTAGSWAHL AM 26. SEPTEMBER 2021
GEH‘ WÄHLEN UND GIB DEINE STIMME den demokratisch geprägten Parteien wie Bündnis 90/Die Grünen, SPD, Die Linke, CDU und FDP, …
In Deutschland gibt es über 60 Millionen Wählerinnen und Wähler; davon haben mindestens 10 % einen Migrationshintergrund. Das heißt, diese Menschen entscheiden schon jetzt mit, was in unserem Lande auf kommunaler Ebene, landes- und bundesweit geschehen wird. Und diese Zahl wird in den nächsten Jahren stark zunehmen. Das ist nicht mehr zu ändern. Daher müssen Politiker dies, egal ob auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene, mitberücksichtigen.
Aber auch mindestens 9 Millionen Menschen können sich in Deutschland an der Bundestagwahl nicht beteiligen (Turbo für die Neubürger, S. 5; in: Süddeutsche Zeitung vom 05.05.2021), weil sie Ausländer sind. Um wählen zu dürfen und gewählt zu werden, muss man nach dem Grundgesetz die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Bis zu 10 Millionen Ausländer haben dies nicht. Obwohl viele Migranten und Flüchtlinge so schnell wie möglich die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben möchten, scheitern viele aber an fast unüberwindbaren Hürden, wie z.B. an dem Nachweis von Sprachkenntnissen. Dies trifft besonders diejenigen hart, die mittlerweile bereits über 40 oder gar 50 Jahre hier in Deutschland leben und jahrzehntelang in die Sozialkassen einbezahlt und ihre Steuern verrichtet haben. Über diese betroffenen Menschen wird jedoch in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Für sie ist die allgemein verbreitete Kritik: “Sie können ja deutsch werden, dann können sie doch wählen” ein Schlag ins Gesicht, denn sie haben mit ihrer Arbeitskraft in den Aufbau der deutschen Wirtschaft und den allgemeinen Wohlstand investiert; und viele von denjenigen, die mittlerweile das Rentenalter erreicht haben, sind durch chronische Erkrankungen aufgrund schwerer und schwerster Arbeit gekennzeichnet und leben meist von einer geringen Rente, nahe der Armutsgrenze oder sogar in Armut.
Und Ausländer möchten eingebürgert werden. Aber warum können Sie das nicht? Danach müsste die Frage gestellt werden und nicht danach, dass die Ausländer es ja selber nicht wollen. Dass ca. 10 Millionen Menschen in Deutschland von den staatsbürgerlichen Rechten ausgeschlossen sind, stellt ein großes Demokratiedefizit in Deutschland dar. Und eben ein solches Demokratiedefizit wollen wir ja alle nicht haben, oder?! –
Besonders nationalistische Parteien, Gruppierungen, Personen etc. versuchten in der Vergangenheit und versuchen auch jetzt immer wieder Menschenrechte an einen Nationalstaat zu knüpfen, selektiv an Ethnien zu binden und dabei ein künstliches Gemeinschaftsgefühl zu schaffen, das auf die Ausgrenzung anderer beruht. Wirkliche Demokratie gibt es aber da, wo die Zentralisierung der Macht eines Nationalstaates gebrochen ist (Arendt, Hannah). Demokratie ist eine aktive Teilhabe und Mitbestimmung an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen. Davon sind leider mehrere Millionen Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund hierzulande ausgegrenzt, obwohl ja auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (vor Jahrzehnten von Deutschland mit unterschrieben und vom Bundestag vor Jahrzehnten ratifiziert) in Artikel 21 Absatz 1 steht: „Jeder hat das Recht, an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten seines Landes unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter teilzunehmen“.
Mindestens 10 % aller Wahlberechtigten in Deutschland dürfen aber davon keinen Gebrauch machen. Die Ermöglichung der Beteiligung dieser 10 Millionen Menschen an zukünftigen Bundestagswahlen muss mit der Bildung der neuen Regierung in Berlin eine der Hauptaufgaben sein.
Plurale Demokratie in Deutschland kann nur hundertprozentig funktionieren, wenn wir alle gleichberechtigt am Tisch sitzen, mitreden und mitentscheiden. Demokratie bedeutet u.a. auch ein ständiges Handeln und eine respektvolle Diskussion; auch deswegen muss das Wahlrecht allen zugesprochen werden.
GEH‘ WÄHLEN …
UND GIB DEINE STIMME DEN DEMOKRATISCH GEPRÄGTEN PARTEIEN wie Bündnis 90/Die Grünen, SPD und CDU, Die Linke, FDP, …!!!
Als wahlberechtigter Mensch mit Migrations- und Fluchthintergrund solltest du zu den Wahlen gehen und Kandidaten der antirassistisch geprägten demokratischen Parteien (Bündnis 90/Die Grünen, SPD, Linke, CDU, FDP, …) wählen.
Auch wenn wir bei all diesen Parteien hinsichtlich Ihrer Integrations- und Flüchtlingspolitik sowohl auf Bundes-, als auch auf Landes- und besonders auf Landkreisebene mehrere Kritikpunkte haben, ist es unsere Aufgabe, diejenigen politischen Kräfte sowohl in den obengenannten Parteien als auch in der Basis, die sich für Migranten und Flüchtlinge einsetzen, zu unterstützen und sie in ihrer parteilichen Integrationspolitik für Migranten und Flüchtlinge in den eigenen Reihen zu stärken.
WIE KANNST DU WÄHLEN? DAS BUNDESTAG – WAHLSYSTEM:
Am 26.09.2021 wird das deutsche Parlament (Bundestag) und damit alle Abgeordneten des Bundestages für vier Jahre gewählt.
Alle Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit (deutschem Pass), die das 18. Lebensjahr vollendet haben, dürfen wählen, unabhängig von ihrer Volks- und Religionszugehörigkeit. Das Recht zu wählen, gehört zu den wichtigsten Rechten und durch deine Wahl kannst du die Politik (auch für Migranten und Flüchtlinge) mitbestimmen!
Keiner kann dich dazu zwingen, eine bestimmte Partei zu wählen. Du bist in deiner Entscheidung frei! Und die Wahlen sind gleich, d. h. deine Stimme zählt genauso viel wie jede andere.
Jede berechtigte Wählerin und jeder Wähler bekommt eine Wahl-benachrichtigung mit der Post nach Hause. Darin steht wann die Wahl ist, wo der Wahlraum oder das Wahllokal ist und ob der Raum barrierefrei ist (z. B. zugänglich für Menschen mit einer Gehbehinderung).
Ebenso steht darin, wie eine Briefwahl geht; das ist die 2. Möglichkeit zu wählen, z. B. wenn du am Wahltag nicht zu Hause bist oder in Ruhe deine Wahl machen möchtest.
Wenn du direkt in deinem Wahllokal wählen möchtest, musst du deinen Ausweis und die Wahlbenachrichtigung, die du mit der Post bekommen hast, mitnehmen. Im Wahllokal erhältst du dann von den Wahlhelfern deinen Stimmzettel.
Du kannst in Deutschland geheim wählen. Dafür gibt es Wahlkabinen, in denen du dann deine Kreuze auf den Stimmzettel machst. Damit wählst du eine Partei und eine Person (wie viele Kreuze du insgesamt machen kannst, steht auf dem Stimmzettel; aber Vorsicht: machst du keine Kreuze, zu viele Kreuze oder schreibst du irgendetwas auf deinen Stimmzettel, wird deine Wahl ungültig!). Wenn du fertig bist, faltest du den Stimmzettel und gehst aus der Wahlkabine. Den Stimmzettel wirfst du dann in die Wahlbox oder auch Wahlurne genannt. Um 18 Uhr schließen alle Wahllokale. Danach können keine Stimmen mehr abgegeben werden.
Möchtest du die Briefwahl machen, musst du ein Formular dafür ausfüllen. Das erhältst du mit der Wahlbenachrichtigung. Nun kannst du es entweder mit der Post zurückschicken an dein Rathaus oder deine Gemeinde deines Wohnortes (dann bekommst du die Wahlunterlagen/Stimmzettel nach Hause geschickt) oder du holst mit dem Formular und deinem Ausweis die Wahlunterlagen/Stimmzettel im Rathaus oder in deiner Gemeindeverwaltung direkt ab.
Du darfst dir auch helfen lassen! Wichtig ist dabei, dass du deine eigene Entscheidung triffst und deine Wahl geheim bleibt! Auch die Wahlhelfer dürfen dir helfen!
Bei der Bundestagswahl hast du zwei Stimmen: eine Erststimme und eine Zweitstimme.
Mit der Erststimme wählst du einen Bewerber aus deinem Wahlkreis (Wahlkreisabgeordneter). Diese Stimme gibst du auf der linken Hälfte deines Stimmzettels ab (schwarze Schrift), indem du einen der aufgeführten Kandidaten ankreuzt. Bei jedem Kandidaten steht der Name, das Alter, der Beruf und die Partei, die er vertritt. Wer in deinem Wahlkreis die meisten Stimmen erhält, geht direkt in den Bundestag. Damit ist garantiert, dass jede Region aus Deutschland im Parlament vertreten ist. Mit deiner Erststimme unterstützt du also denjenigen aus dem Wahlkreis, von dem du dich am besten vertreten fühlst.
Deine Zweitstimme gibst du auf der rechten Hälfte deines Stimmzettels ab (blaue Schrift). Mit deiner Zweitstimme wählst du die Landesliste einer Partei. Unter jeder Partei stehen fünf Kandidaten, die bereits per Wahl von den Parteien festgelegt wurden. Diese kann man nicht verändern. Mit deiner Zweitstimme entscheidest du, welche Partei im Parlament mehr Gewicht bekommt.
Wann ist eine Stimmabgabe ungültig?
Deine Stimmabgabe ist dann ungültig:
– wenn auf dem Stimmzettel kein Kästchen angekreuzt ist;
– wenn man nicht erkennen kann, was du wählen möchtest, z. B. wenn das Kreuz zwischen zwei Kästchen ist.
– wenn du etwas auf deinen Stimmzettel schreibst oder
– wenn du mehr als zwei Kästchen ankreuzt.
– Und bei der Briefwahl kann deine Stimmabgabe außerdem noch ungültig werden, wenn du den Stimmzettel nicht in den amtlichen Umschlag steckst (der wird mit den Wahlunterlagen geschickt).
Und noch etwas: bist du wahlberechtigt hast aber bis zum 21. Tag vor der Bundestagswahl (05. September) keine Unterlagen bekommen, musst du dich spätestens 3 Wochen vor der Bundestagswahl in deinem Rathaus oder deiner Gemeindeverwaltung melden, um an der Wahl teilnehmen zu können!
GEH‘ WÄHLEN …
UND GIB DEINE STIMME DEN DEMOKRATISCH GEPRÄGTEN PARTEIEN wie Bündnis 90/Die Grünen, SPD und CDU, Die Linke, FDP, …!!! und UNTERSTÜTZE MIT DEINER STIMME DIE FOLGENDEN FORDERUNGEN
Unsere Forderungen – Erwartungen als Migranten und Flüchtlinge mit deutscher und nichtdeutscher Staatsangehörigkeit an die zukünftige Regierung in Berlin lauten:
- das Grundgesetz der BRD gilt für alle – z.B. hinsichtlich des Schutzes der Familie und Ehe
Auch wir möchten, dass gemäß dem Grundgesetz der § 6 Abs. 1 (jede Person hat ein Recht auf ein Ehe- und Familienleben) auch für uns seine Gültigkeit hat, unabhängig von unserer Herkunft und Religion. So z. B. führt die mit der Reform des Zuwanderungsgesetzes von August 2007 eingeführte Pflicht, vor Einreise Sprachkenntnisse zu erwerben und im Herkunftsland eine Prüfung abzulegen, dazu, dass viele nachzugsberechtigte Familienangehörige der Migranten und Flüchtlinge nicht nach Deutschland einreisen und von diesem Recht auf “Familienleben” keinen Gebrauch machen können. Auch wir sind für das Erlernen der deutschen Sprache, aber hierzulande. Und nicht nur Ihr seid dafür, dass wir Deutsch lernen, auch wir sind der Meinung, dass hierzulande Deutsch die dominante Sprache ist und dies von allen ohne Wenn und Aber gelernt werden muss. Uns ist in unserer langjährigen Integrationsarbeit kein einziger Ausländer bekannt, der oder die die deutsche Sprache nicht lernen möchte. Das Problem ist: in vielen Hauptherkunftsländern der Migranten und Flüchtlinge ist es sehr schwer, überhaupt einen Deutschkurs zu finden und noch schwieriger ist es, die Prüfung abzulegen, da diese ausschließlich nur an den ausländischen Niederlassungen des Goethe-Instituts abgenommen wird; und diese haben in der Regel nur einige wenige Standorte (wenn überhaupt) in den Großstädten der Herkunftsländer. Das bedeutet, dass aufgrund fehlender Infrastruktur sowie oftmals total überteuerter Gebühren für den Sprachkurs und eine Unterkunft, es für viele unmöglich ist, alleine deswegen ein Visum zum Zweck der Familienzusammenführung von den deutschen Auslandvertretungen erteilt zu bekommen. Deswegen fordern wir die Streichung des Sprachnachweises für den Ehegattennachzug bzw. für die Familienzusammenführung.
Ebenfalls ist bei dieser Diskussion nicht zu vergessen, dass der Schutz der Familie, des Familienlebens, der Einheit der Familie nicht nur im Grundgesetz verankert ist, sondern auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Grundrechtecharta der Europäischen Union. Auch all diese Gesetzgebungen sind für Deutschland bindend. Und trotzdem bleibt aber durch die aufgezeigten rechtlichen und bürokratischen Hürden vielen Familien mit Migrations- und Fluchthintergrund ein Zusammenleben in Deutschland verwehrt.
Ebenfalls fordern wir in diesem Zusammenhang, all diejenigen Gesetze im Staatsangehörigkeitsrecht, im Aufenthalts- und Asylgesetz abzuschaffen, die die Menschenrechte verletzen; beispielsweise das Asylbewerberleistungsgesetz, die Wohnsitzauflagen für Flüchtlinge, die Abschiebungshaft, etc. Auch diese stehen nach unserer Meinung im Widerspruch zum Grundgesetz. - Nationalismus und Rassismus unter allen Volks- und Religionsgruppen in Deutschland bekämpfen – sofortige Ergreifung mehrerer Maßnahmen zur Bekämpfung des institutionellen Rassismus.
- eine politische Leitkultur(-diskussion), die auf Grund- und Menschenrechten basiert und das Grundgesetz als Mindestnorm wegweisend nimmt. Wir brauchen auf keinen Fall eine Leitkulturdiskussion, die sich an ethnisch kulturellen Punkten orientiert und damit sogar den institutionellen Rassismus in Deutschland befördert.
- Politik muss dazu beitragen, alle Menschen gleichberechtigt in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens (Bildung, Arbeit, Wohnen, politische Beteiligung, …) teilnehmen zu lassen; ein gleichberechtigtes Zusammenleben für alle, unabhängig von Staats- und Religionszugehörigkeit, Aufenthaltsstatus, etc. zu ermöglichen.
- Zugangsmöglichkeiten für Migranten und Flüchtlinge in Arbeit und Ausbildung müssen an deren individuellen Bedarfen und Fähigkeiten ausgerichtet sein, nicht an dem Förderbedarf der Träger. Ein Gesetz zur Verbesserung der Teilhabechancen in Bildung, Ausbildung und Beruf wäre dafür ein wichtiger Schritt nach vorne, aber unter der Voraussetzung der gleichberechtigten Beteiligung von vor Ort aktiven Migrantenselbstorganisationen und nicht nur mit sogenannten “Fachkräften” aus dem pädagogischen, sozialarbeiterischen oder Verwaltungs- bzw. Behördenbereich, die von der praktischen Arbeit “null” Ahnung haben.
- Bundes- und landesweite Förderungen sozialer, kultureller, gesellschaftlicher, etc. Kontakte und Begegnungen nur dann, wenn vor Ort die Beteiligung von Migranten und Flüchtlinge gewährleistet ist.
- Wir brauchen nicht nur Diskussionen oder gesetzliche Änderungen hinsichtlich des Arbeitskräftemangels in qualifizierten Bereichen auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch gesetzliche Änderungen hinsichtlich einer Schaffung von vereinfachten Migrationswegen für Bildungs- und Arbeitsmigration aus Drittstaaten, besonders für Staatsangehörige asiatischer und afrikanischer Länder, nach Deutschland. Deswegen fordern wir für diese Menschen erleichterte Zugänge und Möglichkeiten für ein Visum zur Ausbildung und Arbeit.
- In der EU-Flüchtlingspolitik müssen dringend Lösungen auf der europäischen Ebene gefunden werden; gemeint ist vor allem der Aufbau eines solidarischen Systems unter den EU-Ländern zur Aufnahme und Integration von Flüchtlingen, das gemeinsam finanziert wird und die Lasten unter allen EU-Ländern gerecht verteilt werden. U.a. auch deswegen muss das Dublin – System abgeschafft werden. Ebenfalls muss die Zuerkennung eines Schutzstatus für Flüchtlinge durch einen Mitgliedsstaat von allen anderen EU-Staaten anerkannt werden.
- Fluchtursachen müssen dringend bekämpft werden! Anstatt zu versuchen, immer mehr das Asylrecht faktisch abzuschaffen, in dem man den Flüchtlingen überhaupt nicht mehr erlaubt, in die EU-Länder einzureisen, sollte man noch mehr humanitäre Aufnahmeprogramme für Flüchtlinge in den Weg leiten.
Schon alleine aus dem Grund, dass wir sowohl ein reiches Land als auch „Exportweltmeister“ sind, sollte man sich verstärkt für humanitäre Aufnahmeprogramme einsetzen.
Damit das Sterben an den EU-Grenzen ein Ende findet, könnte man wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich mit einer jährlichen Aufnahme von 250.000 Flüchtlingen dafür vorsorgen: Wir dürfen nie vergessen, dass leider kein Tag vergeht, an dem Menschen nicht an EU-Grenzen sterben; Besonders das Mittelmeer ist inzwischen ein Friedhof für tausende von Flüchtlingen und Migranten geworden. Seit 2014 haben dort mindestens 20.000 Menschen ihr Leben verloren (Stand März 2021).
Unter der Fluchtursachenbekämpfung ist nicht zu verstehen, dass man undemokratischen Ländern (und den in diesen Ländern herrschenden Gruppierungen) wie die Türkei, Marokko, Tunesien, Libyen, etc. Geld gibt und hofft, dadurch Fluchtursachen bekämpft zu haben. Deswegen fordern wir, sich gegen Abkommen mit autoritären Herrschern, Diktatoren und Milizen einzusetzen. Denn diese haben nur ein Ziel, dass Flüchtlinge Europa gar nicht erreichen sollen. Und auch die Förderung der EU – Abschottungspolitik durch sie muss abgelehnt werden.
Alle Aufnahmeeinrichtungen, „Hotspots“ an den EU-Grenzen oder auf den griechischen Inseln sollen aufgelöst werden. Die neue Regierung soll sich für die Auflösung solcher unmenschlicher „Hotspot“ – Asylzentren einsetzen (auch in außereuropäischen Ländern, z.B. in Tunesien, Marokko und Libyen) und gegen die Finanzierung solcher Hotspots; in Griechenland und anderswo.
Die zukünftige Regierung sollte sich für die Ermöglichung sicherer legaler Migrations- und Fluchtwege für Flüchtlinge und Migranten aus asiatischen und afrikanischen Ländern in die EU-Länder einsetzen.
Jeder, der an den Grenzen steht, sollte sofort die Möglichkeit haben, einen Asylantrag zu stellen bzw. nicht abgeschoben werden (wie z. B. von Griechenland in die Türkei oder von Kroatien nach Bosnien), weil „diese Länder für Flüchtlinge sicher“ seien.
Jedem, unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit, sollte ein individuelles Asylrecht in allen EU-Ländern gewährleistet sein. Jeder sollte in jedem EU-Land das Recht haben, in ein Asylverfahren aufgenommen zu werden, ohne dabei Angst zu haben, dass man z. B. aus Ungarn nach Serbien, aus Kroatien nach Bosnien, aus Griechenland in die Türkei, von Italien nach Marokko, Tunesien und Libyen abgeschoben wird.
U.a. deswegen fordern wir Asylverfahren für alle, denn unter dem Deckmantel “sichere Herkunftsländer” bekommen fast 99 % der Flüchtlinge aus den Westbalkan-Ländern und aus einigen afrikanischen Ländern keine gerechte Verfahren: Egal, was sie z.B. als verfolgte, diskriminierte, ausgegrenzte Flüchtlinge aus Nordmazedonien und Albanien erzählen; es wird ihnen überhaupt nicht geglaubt. Alle bekommen dann eine Abschiebung ins Elend, in die Gefahr für Leib und Leben. Deswegen muss auch bei diesen Menschen verstärkt die Berücksichtigung der individuellen Darstellung ihrer Fluchtgründe stattfinden.
Das individuelle Grundrecht auf Asyl muss uneingeschränkt gewährleistet werden, menschenwürdige Aufnahmebedingungen und faire Asylverfahren müssen für alle gelten. Auch systematisch diskriminierte und verfolgte Roma brauchen Schutz. U.a. deswegen möchten wir, dass die mit mehreren Millionen Euro geförderte „Frontex“ abgeschafft wird bzw. sie ihre Tätigkeit nicht in der Abschiebung Schutzbedürftiger missdeutet, sondern in der Schaffung von Rechtssicherheit für Migranten und Flüchtlinge. - Schluss mit den unmenschlichen und familienzerreisenden Abschiebungen – Ermöglichung der freiwilligen Rückkehr unter Beteiligung der Migrantenselbstorganisationen.
- Nicht nur bundesweit, sondern auch auf Länderebene und sogar in unserem Landkreis Diepholz wird die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt nach qualifizierten Fachkräften, besonders im Industrie- und Gesundheitssektor, stark zu nehmen; daher muss man die aufgenommenen und dauerhaft in Deutschland bleibenden Flüchtlinge qualifizieren, umschulen, weiterbilden. Denn ihre hauptsächlichen Beschäftigungsfelder (ohne Qualifizierung bzw. Anlerntätigkeiten im Niedriglohnsektor) werden immer geringer.
Laut einer Veröffentlichung des Arbeitsministeriums sanken jedoch die Zahlen der Weiterbildungen von 2010 (80.000) bis 2020 (40.000) um 50 %! Auch bei uns hier nehmen Weiterbildungsangebote sehr stark ab; besonders bei Migranten und Flüchtlingen. Wie auf Bundesebene als auch bei uns werden Nachfragen und Bemühungen nach einer Weiterbildung von den Jobcentern zurückgewiesen. Damit muss Schluss sein! - Unterbringung der Flüchtlinge in eigenen Wohnungen, weil erst dadurch den Flüchtlingen eine Integration und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in aller Hinsicht ermöglicht wird. Deswegen Abschaffung aller Aufnahmeeinrichtungen, Flüchtlingswohnheime, Gemeinschaftsunterkünfte …
- In allen Städten, Landkreisen, Gemeinden: Schaffung unabhängiger niedrigschwelliger Antidiskriminierungsbüros, damit Migranten und Flüchtlinge sich z.B. wegen Missständen, erlebter Diskriminierung, offenen Rassismus, Fehlentwicklungen in der Integrationsarbeit ihrer Stadt oder Gemeinde, etc. an diese wenden können. In solchen Büros sollten Antirassismusbeauftragte – mindestens ehrenamtlich – tätig sein. Diese sollten auf jeden Fall einen Migrations- oder Fluchthintergrund und eine säkular demokratische Prägung haben.
- Schluss mit der ungleichen rechtlichen, sozialen, kulturellen, religiösen und gesellschaftlichen Behandlung der EU-Staatsangehörigen, besonders für Menschen aus Bulgarien und Rumänien. Auf EU-Ebene soll es gleiche soziale Rechte und Sozialleistungsprinzipien für alle geben.
- Verstärkte Öffnung der Integrationskurse für alle EU-Bürger: anstatt vielen Bulgaren, die aufgrund der Corona-Pandemie arbeitslos geworden sind, sich selbst zu überlassen, könnten sich die Fallmanager der Jobcenter und Arbeitsagenturen vermehrt um diese Menschen kümmern und sie in einen entsprechenden Integrationskurs bei einem Sprachkursträger unterbringen; vorzugsweise ein solcher, der sich nicht an der Sprachlosigkeit dieser Menschen bereichern möchte.
- Änderung des Grundgesetzes für ein kommunales Wahlrecht aller Migranten und Flüchtlinge bei einer Aufenthaltsdauer vor Ort ab 3 Jahren anstatt einer „politischen“ Pseudopartizipation in sogenannten Integrationsräten und -beiräten.
- Vereinfachung des Einbürgerungsrechts und Schaffung des Rechts auf doppelte Staatsangehörigkeit für die Nicht-EU-Staatsangehörigen in Deutschland (z.B. für Türkeistämmige), wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Viele Türkeistämmige, die bereits mehrere Jahrzehnte in Deutschland leben und hier arbeiten, können nicht nachvollziehen, warum sie keine doppelte Staatsangehörigkeit haben dürfen, während aber ein syrischer Flüchtling, der nicht einmal einen fünfjährigen Aufenthalt in Deutschland hat, sofort eingebürgert werden kann. Diese Ungleichbehandlung wird immer dazu führen, dass, wie in dem Beispiel mit Türkeistämmigen zeigt, die Betroffenen Probleme damit haben, sich mit Deutschland zu identifizieren. Möchten wir das?
Ebenfalls gibt es unter Migranten und Flüchtlingen weitere Volks- und Religionsgruppen (z.B. afghanische Flüchtlinge aus dem Iran und Afghanistan – jezidische Flüchtlinge aus dem Irak und Syrien – syrische Flüchtlinge aus der Türkei), denen es z. B. aufgrund fehlender Kontakte und nicht existierender aber notwendiger Unterlagen auch im Herkunftsland nie gelingen wird, Geburtsurkunden, Pässe etc. zu beschaffen. Daher muss es eine Vereinfachung in der Durchsetzung des Einbürgerungsrechts für solche Volksgruppen geben. - Abschaffung des Beschäftigungsverbots und der Arbeitsmarkt-prüfung für bestimmte Staatsangehörige, wie beispielsweise aus den Westbalkanländern oder aus manchen afrikanischen Ländern.
- Erleichterte Anerkennung ausländischer Abschlüsse und beruflicher Qualifikationen für Drittstaatsangehörige: Während dies im akademischen Bereich mit wenigen Problemen funktioniert, ist es für beruflich qualifizierte Fachkräfte wie Altenpfleger oder Mechatroniker dagegen schwieriger, besonders wenn sie aus den Westbalkanländern kommen.
- Menschen mit Migrationsgeschichte, egal ob Geflüchtete, Arbeitsmigranten oder Menschen der dritten und vierten Einwanderergeneration: in vielen Bereichen sind sie sozial schlechter gestellt als Einheimische. Daher brauchen wir einen ganzheitlichen Ansatz, der Integration und Teilhabe der Migranten und Flüchtlinge fördert und gleichzeitig gegen Rechtsextremismus, Diskriminierung und menschenfeindliche Einstellungen unter allen vorgeht.
- Programme zur Förderung von Demokratie und gegen Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus verstärken, hassmotivierte Straftaten von allen Seiten konsequenter verfolgen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz so reformieren, dass Diskriminierung nicht nur bestraft, sondern schon im Vorfeld vermieden wird. Bekämpfung der rechten Parteien, Gruppen, Bestrebungen und des Rassismus, nicht nur in Form von Flyern oder anderen Veröffentlichungen, sondern u. a. auch durch Aufklärung mit Hilfe von politischer Bildung der Bevölkerung mit und ohne Migrations- und Fluchthintergrund (demokratische Wertevermittlung für alle für eine transnationale Gesellschaft).
- Schaffung bezahlbaren Wohnraums für alle Menschen mit geringem Einkommen durch den Ausbau des sozialen Wohnungsbaus durch Bund, Länder und Gemeinden.
- Deutschlandweit haben wir einige hunderttausend Menschen mit einer sogenannten „Duldung”. Viele von denen sind beruflich, schulisch, sprachlich, etc. sehr gut integriert in die deutsche Gesellschaft, viele sind sogar hier auf die Welt gekommen, haben keine Kenntnisse über oder Kontakte zu ihren sogenannten Herkunftsländern. Deswegen muss es für diese Menschen, unabhängig von der Höhe ihres Einkommens, eine stichtagsabhängige Altfallregelung (z. B. Mindestaufenthaltszeit von fünf Jahren) geben, damit sie sich endlich in Deutschland ein Leben in Sicherheit aufbauen können.
…
Um eine an den Menschenrechten orientierte Migrations-, Integrations- und Flüchtlingspolitik in Deutschland umzusetzen, um Rassismus, Nazis, AfD, … zu bekämpfen, um ein gleichberechtigtes und friedliches Zusammenleben zu ermöglichen, um eine solidarische Gesellschaft zu schaffen, in der Menschenrechte unteilbar, in der Vielfalt und selbstbestimmte Lebensentwürfe für alle selbstverständlich sind: Deshalb und dafür musst du am 26.09.21 unbedingt wählen gehen und für die demokratischen Parteien stimmen!
Verfasser: Rahmi Tuncer – Vorsitzender von Mosaik e.V. im Landkreis Diepholz, Juli 2021
Herausgeber:
Mosaik – für transkulturelle Bildung und
Begegnung im Landkreis Diepholz e. V.
Kontakt: Rahmi Tuncer
Email: info@mosaik-transkulturell.de
Mobil: +49 15202955320
In Kooperation mit:
Anatolisches Bildungs- und Beratungszentrum
Bremen e. V.
Kontakt: Rahmi Tuncer
Email: info@anadolu-bremen.de
Mobil: +49 15202955320