BlickWECHSEL Ausgabe Nr. 9

Ausgabe Nr. 9

GEH‘ WÄHLEN UND GIB DEINE STIMME
den demokratisch geprägten Parteien
wie Bündnis 90/Die Grünen, SPD, Die Linke …

In Deutschland gibt es ca. 60 Millionen Wählerinnen und Wähler, die zum 23.02.25 ihre Stimme dazu abgeben werden, wer in den nächsten vier Jahren das Land regieren soll. Davon haben mindestens 7 Millionen einen Migrations- und Fluchthintergrund. Diese Menschen entscheiden bereits jetzt mit, was in unserem Lande auf kommunaler Ebene, landes- und bundesweit in politischer, wirtschaftlicher, kultureller Hinsicht geschieht. Diese Zahl der wahlberechtigten „Neudeutschen“ mit Migrations- und Fluchthintergrund wird in den nächsten Jahren stark zunehmen. Das ist nicht mehr zu ändern. Daher müssen Politiker dies, egal ob auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene, in ihrem politischen Handeln mitberücksichtigen.

Während im überwiegenden Teil der europäischen Staaten auch Angehörige der sogenannten Drittstaaten mindestens auf kommunaler Ebene wählen dürfen, sind viele Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund trotz eines mehrjährigen Aufenthaltes in Deutschland von allen Wahlen – sowohl auf Bundesebene als auch auf komunaler Ebene von den Wahlen ausgeschlossen; auf kommunaler Ebene und bei Europa-Wahlen dürfen nur EU – BürgerInnen ihre Stimme abgeben. Wie in vielen rechtlichen und gesellschaftlichen Fragen, herrscht auch im politischen Mitbestimmungsrecht unter den in Deutschland lebenden Menschen eine Ungleichbehandlung. Drittstaatsangehörige dürfen sich an Wahlen nicht beteiligen; sie sind von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen. Dies ist eine Demokratiedefizit in Deutschland. Das sehen wir als ein großes Problem. Denn Demokratie lebt davon, dass diejenigen, die von Entscheidungen betroffen sind, diese auch mitbestimmen können. Gerade angesichts der Zunahme von Rassismus in der Gesellschaft und des Drucks auf demokratische Grundwerte ist das Wahljahr 2025 der richtige Zeitpunkt für uns, weiterhin die politische Partizipation von Migrantinnen und Migranten in unserer Gesellschaft mit der Forderung nach einem Wahlrecht für alle auf die politische Agenda zu setzen. Die Forderung politscher Partizipation auf Augenhöhe ist für uns die demokratische Antwort auf Ausgrenzung, Rassismus und faschistische Propaganda der AfD hinsichtlich Migration und Flucht. Es muss damit Schluss sein, dass Migrantinnen und Migranten in demokratischen Entscheidungsinstanzen nicht mit eingebunden werden bzw. hier sehr stark unterrepräsintiert sind; auch wenn wir wissen, dass sich dies in den nächsten Jahren aufgrund des ständig zunehmenden Rassismus in der Gesellschaft nicht so einfach verwirklichen lassen wird.

Um wählen zu dürfen und gewählt zu werden, muss man nach dem Grundgesetz die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Obwohl viele Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge so schnell wie möglich die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben möchten, scheitern viele an fast unüberwindbaren Hürden, wie z.B. an dem Nachweis von Sprachkenntnissen. Dies trifft besonders diejenigen hart, die mittlerweile bereits über 50 oder gar 60 Jahre hier in Deutschland leben und jahrzehntelang in die Sozialkassen einbezahlt und ihre Steuern verrichtet haben. Ebenso davon betroffen sind diejenigen, die leider nicht in der Lage sind, von einem befristeten Aufenthaltsstatuts zu einem unbefristeten Aufenthaltsstatus überzugehen, weil sie z.B. trotzt ihrer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nicht über ausreichenden Wohnraum für sich und ihre Familienangehörigen verfügen. Erst mit einer Niederlassungserlaubnis wären sie in der Lage, einen Einbürgerungsantrag zu stellen. Über diese betroffenen Menschen wird jedoch in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Für sie ist die allgemein verbreitete Kritik: “Sie können ja deutsch werden, dann können sie doch wählen” ein Schlag ins Gesicht, denn sie haben mit ihrer Arbeitskraft in den Aufbau der deutschen Wirtschaft und den allgemeinen Wohlstand investiert. Und viele von denjenigen, die mittlerweile das Rentenalter erreicht haben, sind durch chronische Erkrankungen aufgrund schwerer und schwerster Arbeit gekennzeichnet und leben meist von einer geringen Rente, nahe der Armutsgrenze oder sogar in Armut.

Besonders nationalistische Parteien, Gruppierungen und Personen versuchten bereits in der Vergangenheit und auch jetzt immer wieder die Menschenrechte an einen Nationalstaat zu knüpfen, selektiv an Ethnien zu binden und dabei ein künstliches Gemeinschaftsgefühl zu schaffen, das auf die Ausgrenzung anderer beruht. Wirkliche Demokratie gibt es aber da, wo die Zentralisierung der Macht eines Nationalstaates gebrochen ist (Arendt, Hannah). Demokratie ist eine aktive Teilhabe und Mitbestimmung an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen. Davon sind leider mehrere Millionen Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund hierzulande ausgegrenzt, obwohl ja auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (vor Jahrzehnten von Deutschland mitunterschrieben und vom Bundestag vor Jahrzehnten ratifiziert) in Artikel 21 Absatz 1 steht: „Jeder hat das Recht, an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten seines Landes unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter teilzunehmen“.  

Eine plurale Demokratie in Deutschland kann nur dann zu hundert Prozent funktionieren, wenn wir alle gleichberechtigt am Tisch sitzen, mitreden und mitentscheiden. Demokratie bedeutet u.a. auch ein ständiges Handeln und eine respektvolle Diskussion; auch deswegen muss das Wahlrecht allen zugesprochen werden.

Als wahlberechtigter Mensch mit Migrations- und Fluchthintergrund solltest du zu den Wahlen gehen und Kandidaten der antirassistisch geprägten demokratischen Parteien (Bündnis 90/Die Grünen, SPD, Linke, …) wählen.

Auch wenn wir bei all diesen Parteien hinsichtlich ihrer Integrations- und Flüchtlingspolitik sowohl auf Bundes-, als auch auf Landesebene mehrere Kritikpunkte haben, ist es unsere Aufgabe, diejenigen politischen Kräfte sowohl in den genannten Parteien als auch in der Basis, die sich für Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge einsetzen, zu unterstützen und sie in ihrer parteilichen Integrationspolitik für Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge in den eigenen Reihen zu stärken.  

Am 23.02.2025 wird das deutsche Parlament (Bundestag) und damit alle Abgeordneten des Bundestages für vier Jahre gewählt.

Alle Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit (deutschem Pass), die das 18. Lebensjahr vollendet haben, dürfen wählen, unabhängig von ihrer Volks- und Religionszugehörigkeit. Das Recht zu wählen, gehört zu den wichtigsten Rechten und durch deine Wahl kannst du die Politik (auch für Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge) mitbestimmen!

Keiner kann dich dazu zwingen, eine bestimmte Partei zu wählen. Du bist in deiner Entscheidung frei! Und die Wahlen sind gleich, d. h. deine Stimme zählt genauso viel wie jede andere.

Jede berechtigte Wählerin und jeder Wähler bekommt eine Wahl-benachrichtigung mit der Post nach Hause. Darin steht, wann die Wahl ist, wo der Wahlraum oder das Wahllokal ist und ob der Raum barrierefrei ist, z. B. zugänglich für Menschen mit einer Gehbehinderung.

Ebenso steht darin, wie eine Briefwahl funktioniert; das ist die 2. Möglichkeit zu wählen, z. B. wenn du am Wahltag nicht zu Hause bist oder in Ruhe deine Wahl machen möchtest.

Wenn du direkt in deinem Wahllokal wählen möchtest, musst du deinen Ausweis und die Wahlbenachrichtigung, die du mit der Post bekommen hast, mitnehmen. Im Wahllokal erhältst du dann von den Wahlhelferinnen oder Wahlhelfern deinen Stimmzettel.

Du kannst in Deutschland geheim wählen. Dafür gibt es Wahlkabinen, in denen du dann deine Kreuze auf den Stimmzettel machst. Damit wählst du eine Partei und eine Person. Wie viele Kreuze du insgesamt machen kannst, steht auf dem Stimmzettel; aber Vorsicht: machst du keine Kreuze, zu viele Kreuze oder schreibst du irgendetwas auf deinen Stimmzettel, wird deine Wahl ungültig! Wenn du fertig bist, faltest du den Stimmzettel und gehst aus der Wahlkabine. Den Stimmzettel wirfst du dann in die Wahlbox oder auch Wahlurne genannt. Um 18 Uhr schließen alle Wahllokale. Danach können keine Stimmen mehr abgegeben werden.

Möchtest du die Briefwahl machen, musst du ein Formular dafür ausfüllen. Das erhältst du mit der Wahlbenachrichtigung. Nun kannst du es entweder mit der Post zurückschicken an dein Rathaus oder deine Gemeinde deines Wohnortes (dann bekommst du die Wahlunterlagen/Stimmzettel nach Hause geschickt) oder du holst mit dem Formular und deinem Ausweis die Wahlunterlagen/Stimmzettel im Rathaus oder in deiner Gemeindeverwaltung direkt ab. Außerdem hast du die Möglichkeit, online zum Antrag auf Briefwahl zu kommen; dies funktioniert über den QR-Code, der sich auf der Wahlbenachrichtigung befindet.

Du darfst dir auch helfen lassen! Wichtig ist dabei, dass du deine eigene Entscheidung triffst und deine Wahl geheim bleibt! Auch die WahlhelferInnen dürfen dir helfen!

Bei der Bundestagswahl hast du zwei Stimmen: eine Erststimme und eine Zweitstimme.

Mit der Erststimme wählst du einen Bewerber aus deinem Wahlkreis (Wahlkreisabgeordneter). Diese Stimme gibst du auf der linken Hälfte deines Stimmzettels ab (schwarze Schrift), indem du einen der aufgeführten Kandidaten ankreuzt. Bei jedem Kandidaten steht der Name, der Beruf und die Partei, die er vertritt, sofern er einer Partei angehört. Wer in deinem Wahlkreis die meisten Stimmen erhält, geht direkt in den Bundestag.  Damit ist garantiert, dass jede Region aus Deutschland im Parlament vertreten ist. Mit deiner Erststimme unterstützt du also diejenige Person aus dem Wahlkreis, von der du dich am besten vertreten fühlst.

Deine Zweitstimme gibst du auf der rechten Hälfte deines Stimmzettels ab (blaue Schrift). Mit deiner Zweitstimme wählst du die Landesliste einer Partei. Unter jeder Partei stehen fünf Kandidaten, die bereits per Wahl von den Parteien festgelegt wurden. Diese kann man nicht verändern. Mit deiner Zweitstimme entscheidest du, welche Partei im Parlament mehr Gewicht bekommt.

Wann ist eine Stimmabgabe ungültig?

Deine Stimmabgabe ist dann ungültig:

  • wenn auf dem Stimmzettel kein Kästchen angekreuzt ist;
  • wenn man nicht erkennen kann, was du wählen möchtest, z. B. wenn das Kreuz zwischen zwei Kästchen ist.
  • wenn du etwas auf deinen Stimmzettel schreibst oder
  • wenn du mehr als zwei Kästchen ankreuzt.
  • Und bei der Briefwahl kann deine Stimmabgabe außerdem noch ungültig werden, wenn du den Stimmzettel nicht in den amtlichen Umschlag steckst; der wird mit den Wahlunterlagen geschickt.

Unsere Forderungen und Erwartungen als Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge mit deutscher und nichtdeutscher Staatsangehörigkeit an die zukünftige Regierung in Berlin lauten:

1. das Grundgesetz der BRD gilt für allez.B. hinsichtlich des Schutzes von Familie und Ehe

Auch wir möchten, dass gemäß dem Grundgesetz der § 6 Abs. 1 (jede Person hat ein Recht auf ein Ehe- und Familienleben) auch für uns seine Gültigkeit hat, unabhängig von unserer Herkunft und Religion. So z. B. führt die mit der Reform des Zuwanderungsgesetzes von August 2007 eingeführte Pflicht, vor Einreise Sprachkenntnisse zu erwerben und im Herkunftsland eine Prüfung abzulegen, dazu, dass viele nachzugsberechtigte Familienangehörige der Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge nicht nach Deutschland einreisen und von diesem Recht auf “Familienleben” keinen Gebrauch machen können. Auch wir sind für das Erlernen der deutschen Sprache, aber hierzulande. Und nicht nur ihr seid dafür, dass wir Deutsch lernen, auch wir sind der Meinung, dass hierzulande Deutsch die dominante Sprache ist und diese von allen ohne Wenn und Aber gelernt werden muss. Uns sind in unserer langjährigen Integrations- und Solidaritätsarbeit keine einzige Ausländerin und kein einziger Ausländer bekannt, die oder der die deutsche Sprache nicht lernen möchte. Das Problem ist jedoch: in vielen Hauptherkunftsländern der Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge ist es sehr schwer, überhaupt einen Deutschkurs zu finden und noch schwieriger ist es, die Prüfung abzulegen, da diese ausschließlich nur an den ausländischen Niederlassungen des Goethe-Instituts abgenommen wird; und diese wiederum haben in der Regel nur einige wenige Standorte (wenn überhaupt), vornehmlich in den Großstädten der Herkunftsländer. Das bedeutet, dass aufgrund fehlender Infrastruktur sowie oftmals total überteuerter Gebühren für den Sprachkurs und für eine Unterkunft, es für viele unmöglich ist, alleine deswegen ein Visum zum Zweck der Familienzusammenführung von den deutschen Auslandvertretungen erteilt zu bekommen. Darum fordern wir die Streichung des Sprachnachweises für den Ehegattennachzug bzw. für die Familienzusammenführung.

Ebenfalls ist bei dieser Diskussion nicht zu vergessen, dass der Schutz der Familie, des Familienlebens, der Einheit der Familie nicht nur im Grundgesetz verankert ist, sondern auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Grundrechtecharta der Europäischen Union. Auch all diese Gesetzgebungen sind für Deutschland bindend.  Und trotzdem bleibt aber durch die aufgezeigten rechtlichen und bürokratischen Hürden vielen Familien mit Migrations- und Fluchthintergrund ein Zusammenleben in Deutschland verwehrt.

2. Nationalismus und Rassismus unter allen Volks- und Religionsgruppen in Deutschland bekämpfen – sofortige Ergreifung mehrerer Maßnahmen zur Bekämpfung des institutionellen Rassismus.

3. eine politische Leitkultur(-diskussion), die auf Grund- und Menschenrechten basiert und das Grundgesetz als Mindestnorm wegweisend nimmt. Wir brauchen auf keinen Fall eine Leitkulturdiskussion, die sich an ethnisch kulturellen Punkten orientiert und damit sogar den institutionellen Rassismus in Deutschland befördert.

4. Politik muss dazu beitragen, alle Menschen gleichberechtigt in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens (Bildung, Arbeit, Wohnen, politische Beteiligung, …) teilnehmen zu lassen; ein gleichberechtigtes Zusammenleben für alle, unabhängig von Staats- und Religionszugehörigkeit, Aufenthaltsstatus, etc. zu ermöglichen.

5. Zugangsmöglichkeiten für Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge in Arbeit und Ausbildung müssen an deren individuellen Bedarfen und Fähigkeiten ausgerichtet sein, nicht an dem Förderbedarf der Träger. Ein Gesetz zur Verbesserung der Teilhabechancen in Bildung, Ausbildung und Beruf wäre dafür ein wichtiger Schritt nach vorne, aber unter der Voraussetzungder gleichberechtigten Beteiligung von vor Ort aktiven Migrantenselbstorganisationen und nicht nur mit sogenannten “Fachkräften” aus dem pädagogischen, sozialarbeiterischen oder Verwaltungs- bzw. Behördenbereich, die von der praktischen Arbeit fast “null” Ahnung haben.

6. Bundes- und landesweite Förderungen sozialer, kultureller, gesellschaftlicher, etc. Kontakte und Begegnungen nur dann, wenn vor Ort die Beteiligung von Migrantinnen, Migranten und Flüchtlingen gewährleistet ist.

7. Wir brauchen nicht nur Diskussionen oder gesetzliche Änderungen hinsichtlich des Arbeitskräftemangels in qualifizierten Bereichen auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch gesetzliche Änderungen hinsichtlich einer Schaffung von vereinfachten Migrationswegen für Bildungs- und Arbeitsmigration aus Drittstaaten, besonders für Staatsangehörige asiatischer und afrikanischer Länder,nach Deutschland. Deswegen fordern wir für diese Menschen erleichterte Zugänge und Möglichkeiten für ein Visum zur Ausbildung und Arbeit. Auch sollte es einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt und die Abschaffung von Arbeitsverboten  für Flüchtlinge geben; ebenfalls müssen die vorhandenen Regelungen des Chancenaufenthaltsrechts verstetigt werden.

8. In der EU-Flüchtlingspolitik müssen dringend Lösungen auf der europäischen Ebene gefunden werden; gemeint ist vor allem der Aufbau eines solidarischen Systems unter den EU-Ländern zur Aufnahme und Integration von Flüchtlingen, das gemeinsam finanziert wird und die Lasten unter allen EU-Ländern gerecht verteilt werden. Es ist eine menschenrechtsbasierte und solidarische Migrationspolitik
europaweit zu betreiben, ohne dabei zu vergessen, dass der Großteil der Flüchtlinge eigentlich im Globalen Süden leben und wir davon nur einen minimalen Teil in Europa aufnehmen. Deswegen müssen die dortigen Aufnahmeländer durch verstärkte humanitäre Hilfen dringend unterstützt werden. Es darf aber dabei keine Deals mit autoritären Regierungen zur Abwehr von Flüchtlingen geben. Statt menschenfeindliche und rassistische Propaganda zu Flucht und Migration zu bedienen, muss in der Öffentlichkeit viel mehr die Solidarität mit Flüchtlingen betont werden, muss Deutschland seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen. Und gleichfalls muss aber auch betont werden, dass sowohl ein Deutschland als auch ein Europa ohne dem Zusammenleben mit Migrantinnen, Migranten und Flüchtlingen nicht denkbar sind.

Es gehört zur menschlichen Zivilisation und zu vielen nationalen und internationalen rechtlichen Verpflichtungen, Flüchtlinge weder im adriatischen noch im Mittelmeer ertrinken zu lassen. Daher brauchen wir weiterhin eine Seenotrettung im Mittelmeer. Anstaat die zivile Seenotrettung zu behindern, soll diese gefördert werden.

9. Fluchtursachen müssen dringend bekämpft werden! Anstatt zu versuchen, faktisch immer mehr das Asylrecht abzuschaffen, indem man den Flüchtlingen überhaupt nicht mehr erlaubt, in die EU-Länder einzureisen, sollte man noch mehr humanitäre Aufnahmeprogramme für Flüchtlinge initiieren. Schon alleine aus dem Grund, dass wir sowohl ein reiches Land als auch „Exportweltmeister“ sind, sollte man sich verstärkt für humanitäre Aufnahmeprogramme einsetzen. Damit das Sterben an den EU-Grenzen ein Ende findet, könnte man wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich mit einer jährlichen Aufnahme von mindestens 250.000 Flüchtlingen dafür vorsorgen: wir dürfen nie vergessen, dass leider kein Tag vergeht, an dem Menschen nicht an EU-Grenzen sterben. Besonders das Mittelmeer ist inzwischen ein Friedhof für tausende von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten geworden. Unter der Fluchtursachen-bekämpfung ist aber nicht zu verstehen, dass man undemokratischen Ländern (und den in diesen Ländern herrschenden Gruppierungen) wie die Türkei, Marokko, Tunesien, Libyen, etc. Geld gibt und hofft, dadurch Fluchtursachen bekämpft zu haben. Deswegen fordern wir, sich gegen Abkommen mit autoritären Herrschern, Diktatoren und Milizen einzusetzen. Denn diese haben nur ein Ziel: dass Flüchtlinge Europa gar nicht erst erreichen sollen. Und auch die Förderung der EU – Abschottungspolitik muss abgelehnt werden.

Alle Aufnahmeeinrichtungen, „Hotspots“ an den EU-Grenzen oder auf den griechischen Inseln sollen aufgelöst werden. Die neue Regierung soll sich für die Auflösung solcher unmenschlicher „Hotspot“ – Asylzentren einsetzen (auch in außereuropäischen Ländern, z.B. in Tunesien, Marokko und Libyen) und gegen die Finanzierung solcher Hotspots; auch in Griechenland und anderswo. Die zukünftige Regierung sollte sich für die Ermöglichung sicherer legaler Migrations- und Fluchtwege für Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten aus asiatischen und afrikanischen Ländern in die EU-Länder einsetzen. Jeder, der an den Grenzen steht, sollte sofort die Möglichkeit haben, einen Asylantrag zu stellen und nicht mit der Begründung abgeschoben werden (wie z. B. von Griechenland in die Türkei oder von Kroatien nach Bosnien), dass angeblich „diese Länder für Flüchtlinge sicher“ seien. Für Jeden, unabhängig von der eigenen Staatsangehörigkeit, sollte ein individuelles Asylrecht in allen EU-Ländern gewährleistet sein. Jeder sollte in jedem EU-Land das Recht haben, in ein Asylverfahren aufgenommen zu werden, ohne dabei Angst zu haben, dass man z. B. aus Ungarn nach Serbien, aus Kroatien nach Bosnien, aus Griechenland in die Türkei, von Italien nach Marokko, Tunesien und Libyen abgeschoben wird. Das individuelle Grundrecht auf Asyl muss uneingeschränkt gewährleistet werden, menschenwürdige Aufnahmebedingungen und faire Asylverfahren müssen für alle gelten. Schluss mit den unmenschlichen und familien-zerreisenden Abschiebungen – Ermöglichung der freiwilligen Rückkehr unter Beteiligung der Migrantenselbstorganisationen.

10. Nicht nur bundesweit, sondern auch auf Länderebene und sogar in unserem Landkreis Diepholz wird die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt nach qualifizierten Fachkräften, besonders im Industrie- und Gesundheitssektor, stark zunehmen. Daher muss man die aufgenommenen und dauerhaft in Deutschland bleibenden Flüchtlinge qualifizieren, umschulen, weiterbilden. Denn ihre hauptsächlichen Beschäftigungsfelder (ohne Qualifizierung bzw. Anlerntätigkeiten im Niedriglohnsektor) werden immer geringer.

11. In den Kommunen muss es menschenwürdige Unterbringung geben. Flüchtlingsgruppen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Bei der dezentralen Unterbringung müssen alle rechtlich gleich behandelt werden. Der Bund muss Kommunen bei der Unterbringung von Geflüchteten finanziell mehr unterstützen. Bei der Unterbringung muss das bestimmende Ziel sein, den Flüchtlingen zeitnah das selbstbestimmte Leben und Arbeiten zu ermöglichen. Kinder, Menschen mit Behinderungen, LSBTIQ* oder Traumatisierte müssen besondere Schutzrechte genießen können. Die Unterbringung der Flüchtlinge in eigene Wohnungen muss ohne Wenn und Aber verwirklicht werden, weil erst dadurch den Flüchtlingen eine Integration und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in aller Hinsicht ermöglicht werden kann. Deswegen: Abschaffung aller Aufnahmeeinrichtungen, Flüchtlingswohnheime und Gemeinschaftsunterkünfte …

12. In allen Städten, Landkreisen, Gemeinden: Schaffung unabhängiger niedrigschwelliger Antidiskriminierungsbüros, damit Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge sich z.B. wegen Missstände, erlebter Diskriminierung, offenen Rassismus, Fehlentwicklungen in der Integrationsarbeit ihrer Stadt oder Gemeinde an diese wenden können. In solchen Büros sollten Antirassismusbeauftragte – mindestens ehrenamtlich – tätig sein. Diese sollten auf jeden Fall einen Migrations- oder Fluchthintergrund und eine säkular demokratische Prägung haben.

13. Schluss mit der ungleichen rechtlichen, sozialen, kulturellen, religiösen und gesellschaftlichen Behandlung der EU-Staatsangehörigen, besonders für Menschen aus Bulgarien und Rumänien. Auf EU-Ebene soll es gleiche soziale Rechte und Sozialleistungsprinzipien für alle geben.

14. Verstärkte Öffnung der Integrationskurse für alle EU-BürgerInnen: beispielsweise Bulgarinnen und Bulgaren, die aus nicht selbst zu vertretendem Grund arbeitslos geworden sind, die Möglichkeit geben, Integrationskurse zu besuchen. So könnten sich z.B. die FallmanagerInnen der Jobcenter und Arbeitsagenturen vermehrt um diese Menschen kümmern und sie in einen entsprechenden Integrationskurs bei einem Sprachkursträger unterbringen; vorzugsweise bei einem solchen, der sich nicht an der Sprachlosigkeit dieser Menschen bereichern möchte.

15. Änderung des Grundgesetzes für ein kommunales Wahlrecht aller Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge bei einer Aufenthaltsdauer vor Ort ab 3 Jahren anstatt einer „politischen“ Pseudopartizipation in sogenannten Integrationsräten und -beiräten.

16. Menschen mit Migrationsgeschichte, egal ob Geflüchtete, Arbeitsmigrantinnen und -migranten oder Menschen der dritten und vierten Einwanderergeneration: in vielen Bereichen sind sie sozial schlechter gestellt als Einheimische. Daher brauchen wir einen ganzheitlichen Ansatz, der Integration und Teilhabe der Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge fördert und gleichzeitig gegen Rechtsextremismus, Diskriminierung und menschenfeindliche Einstellungen unter allen vorgeht.

17. Der Schutz vor Rassismus und Diskriminierung muss für alle da sein. Rassistische Diskriminierung und rassistisch motivierte Gewalt muss mit rechtsstaatlicher Konsequenz bekämpft werden. Kommunen und Zivilgesellschaft müssen vom Bund in der Förderung von Begegnung und Gemeinwesenarbeit gegen Rassismus finanziell und ideell unterstützt werden, vor allem unter Beteiligung der Migrantenselbstorgansiationen, um den Zusammenhalt vor Ort stärken zu können.

18. Programme zur Förderung von Demokratie und gegen Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus verstärken – hassmotivierte Straftaten müssen von allen Seiten konsequenter verfolgt werden und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz so reformiert werden, dass Diskriminierung nicht nur bestraft, sondern schon im Vorfeld vermieden wird. Bekämpfung der rechten Parteien, Gruppen, Bestrebungen und des Rassismus, nicht nur in Form von Flyern oder anderen Veröffentlichungen, sondern u. a. auch durch Aufklärung mit Hilfe von politischer Bildung der Bevölkerung mit und ohne Migrations- und Fluchthintergrund (demokratische Wertevermittlung für alle für eine transnationale Gesellschaft).

19. Schaffung bezahlbaren Wohnraums für alle Menschen mit geringem Einkommen durch den Ausbau des sozialen Wohnungsbaus durch Bund, Länder und Gemeinden.

20. Verstärkte Interkulturelle Öffnungsprozesse für den öffentlichen Dienst – mit Quotenregelung nach Qualifizierung – nicht nach Staatsangehörigkeit. Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund sind in öffentlichen Einrichtungen und sozialen Diensten unterrepräsentiert. Damit sich die gesellschaftliche Vielfalt in den Institutionen auch widerspiegelt, ist eine interkultureller Öffnung von großer Bedeutung.

21. Auch wir möchten unsere Verwandten nach Deutschland einladen und ihnen dieses schönes Land zeigen und dabei bei den örtlichen Geschäften mehr Geld ausgeben, damit diese vielleicht noch mehr Steuern an den Staat zahlen. Deswegen: Abschaffung der Visumspflicht für Türkeistämmige!

22. Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und folglich  Anpassung der vorgesehenen gekürzten sozialen Leistungen an die allgemeinen Leistungssätze, damit die Menschenwürde der Flüchtlinge endlich nicht mehr verletzt wird, eine menschenwürdige Existenz-sicherung für alle, eine Erhöhung der Regelsätze auf ein bedarfs-gerechtes Niveau und eine Abschaffung der Sanktionen. Denn die Leistungen im Asylbewerberleistungsgesetz liegen deutlich unter dem Bürgergeld. Hinzu kommt mit der Verlängerung der Voraufenthaltszeit im AsylbLG von nun 36 Monaten eine nochmals erheblich eingeschränkte Gesundheitsversorgung. Wir fordern deshalb eine Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und eine dem Bürgergeld gleichwertige Existenzsicherung für Geflüchtete!

23. Legalisierung der „papierlosen“ Flüchtlinge, deren Zahl man in Deutschland auf über eine halbe Million schätzt.

24. Förderung der demokratisch geprägten Migranten-selbstorganisationen und nicht solcher, die sich einzig durch ihren Status als Migrantinnen und Migranten definieren.  

25. Etablierung von Ausländerbehörden zu Willkommensbehörden!

Wir wissen ganz genau, dass diese Forderungen dann durchgesetzt werden, wenn der Bundestag von einer linken Mehrheit besetzt wird. Und diese linke Mehrheit wird es leider am Abend des 23. Februars 2025 nicht geben. Vielleicht müssen wir sogar noch ein paar Jahrzehnte abwarten, bis einige dieser Forderungen durchgesetzt sind. Wir wissen aber, dass es unter bestimmten besonders „links“ geprägten Parteien zahlreiche Parteimitglieder und Abgeordnete gibt, die unsere Meinungen teilen. Mit unseren Forderungen wollen wir sie in ihrem Handeln bestärken! So wie es politisch aussieht, wird die Zeit für grundsätzliche politische Veränderungen in Deutschland wahrscheinlich in den nächsten Jahrzehnten reif sein, wie beispielsweise das Wahlrecht für Ausländer, Stopp der asylrechtlichen Verschärfungen, Abschaffung des Arbeitsverbots und Asylbewerberleistungsgesetzes für Flüchtlinge, menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge, Bekämpfung des institutionellen Rassismus etc. Trotz alledem müssen wir politisch aktiv bleiben und uns an die fortschrittlichen Kräfte unseres neuen „Heimatlandes“ anschließen und für Veränderungen kämpfen.

Um eine an den Menschenrechten und der Teilhabe orientierte Migrations-, Integrations- und Flüchtlingspolitik in Deutschland umzusetzen, um Rassismus, Nazis, AfD, … zu bekämpfen, um ein gleichberechtigtes und friedliches Zusammenleben zu ermöglichen, um eine solidarische Gesellschaft zu schaffen, in der Menschenrechte unteilbar, in der Vielfalt und selbstbestimmte Lebensentwürfe für alle selbstverständlich sind: Deshalb und dafür musst du am 23.02.25 unbedingt wählen gehen und für die demokratischen Parteien stimmen!

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Verfasser: Rahmi Tuncer – Vorsitzender von Mosaik e.V. im Landkreis Diepholz, Februar 2025

Herausgeber:
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